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Warum es wichtig ist, das Geschlecht in der Medizin zu berücksichtigen

Wie eine Studie der Schweizerischen Gesellschaft für Intensivmedizin zeigt, müssen vor allem Frauen unter 45 Jahren deutlich kränker sein als gleichaltrige Männer, um auf die Intensivstation aufgenommen zu werden. Die Hauptautorin der Studie vermutet, dass der Krankheitsgrad bei Frauen in Akutsituationen systematisch unterschätzt wird. Denn: Auch hier orientieren sich die Risiko-Scores (Werte für die Einschätzung der Gefahr) eher am Mann.

Bevor Frauen in die Wechseljahre kommen, sind sie gegenüber Männern im Vorteil. Ihr Herzinfarktrisiko ist durch ihren Hormonspiegel geringer als das gleichaltriger Männer. So sind Frauen besser vor Gefäßablagerungen geschützt, die zu Herzinfarkten führen können. Mit den Wechseljahren nimmt jedoch der Hormonspiegel ab – und damit auch die Schutzwirkung. Männer spüren häufig ein starkes Stechen in der Brust, das bis in die Arme ausstrahlen kann. Bei Frauen sind die Anzeichen meist vielfältiger, sie klagen über Übelkeit, Bauch- und Rückenschmerzen, kalten Schweiß, Kurzatmigkeit oder Engegefühl in der Brust. Männer haben ihren ersten Herzinfarkt im Schnitt ein paar Jahre früher als Frauen, die meist erst nach der Menopause daran erkranken. Einige Risikofaktoren schaden Frauen offenbar stärker: Medizinern zufolge scheint sich der Zigarettenkonsum auf Frauen noch schädlicher auszuwirken als auf Männer. Auch Diabetes-Typ-2 erhöht das Risiko bei Frauen stärker. Hinzu kommen stärkere Belastungen durch Haushalt und Familie.

Männer erleiden einen Schlaganfall meist ein paar Jahre früher als Frauen. Bereits ab einem Alter von 50-54 Jahren haben Männer doppelt so viele Schlaganfälle wie Frauen. Auch die Symptome unterscheiden sich häufig: Bei Männern zählen dazu Schwindel, Taubheitsgefühle, Seh- und Sprachstörungen sowie einseitige Lähmungserscheinungen. Bei Frauen treten jedoch oft auch „untypische“ Symptome auf wie etwa Übelkeit, plötzlich auftretende Kopf-, Glieder-, Gelenk- oder Brustschmerzen, Kurzatmigkeit oder Atemnot. Weiterhin können Verwirrtheit und sogar Schluckauf bei Frauen auf einen Schlaganfall hindeuten. Auch der Zusammenhang zwischen einer Erkrankung an Migräne mit Aura und Schlaganfällen ist bei Frauen stärker ausgeprägt als bei Männern.

Die degenerative neurologische Erkrankung trifft doppelt so viele Männer wie Frauen, wobei sie bei Frauen meist schneller zum Endstadium führt. Der sogenannte Tremor ist bei Frauen häufiger das erste eindeutige Symptom. Männer haben dagegen oft stärkere Probleme mit der Körperhaltung – ihr Risiko für eine unwillkürliche Beugung des Rumpfes ist höher. Frauen leiden zudem häufiger an unspezifischen Beschwerden wie Depression, Verstopfung oder starkem Schwitzen. Männer zeigen hingegen deutlichere Einschränkungen ihrer geistigen Fähigkeiten.

Die geschlechtsspezifischen Unterschiede unseres Immunsystems wirken sich auf Autoimmunerkrankungen aus. Die meisten Patienten, die an Multipler Sklerose, Rheuma und ähnlichen Erkrankungen leiden, sind Frauen. Allerdings treten sie bei Männern mit stärkerer Ausprägung auf.

Rund 70.000 Frauen erhalten pro Jahr die Diagnose Brustkrebs, damit ist er die häufigste Krebserkrankung bei Frauen. Allerdings: Auch Männer können Brustkrebs bekommen – in Deutschland sind es jährlich etwa 650. Doch häufig wird die Erkrankung bei Männern erst in einem späten Stadium erkannt. Denn: Männer gehen bei Veränderungen der Brust oder der Brustwarzen meist nicht gleich zum Arzt, weil sie gar nicht auf die Idee kommen, dass dies ein Alarmzeichen für Krebs sein könnte. Zum anderen gibt es keine Früherkennungsuntersuchungen für Männer, obwohl bei ihnen das Brustdrüsengewebe genauso entarten kann wie bei Frauen.

Bei Männern bleiben Depressionen mitunter unerkannt, da die Krankheit fälschlicherweise als frauentypisch gilt. Zudem geben Männer seltener zu, unter psychischen Problemen zu leiden. Unterschiedlich sind auch die Symptome: Bei Frauen schwindet das Selbstwertgefühl, sie fühlen sich antriebslos, haben an nichts mehr Interesse oder Freude. Männer hingegen neigen bei Depressionen zu Gereiztheit, Wutausbrüchen, Aggressivität oder risikofreudigem Verhalten und Drogenmissbrauch.

Frauen erkranken häufiger, Männer früher an Osteoporose. Männer mit Osteoporose sind im Durchschnitt jünger als Frauen mit dieser Krankheit. Nicht selten trifft es bereits Männer zwischen 40 und 50 Jahren. Hauptrisikofaktoren der Osteoporose bei Männern sind ähnlich wie bei den Frauen etwa ein niedriges Körpergewicht (BMI unter 20 kg/m2), Knochenbrüche aufgrund von geringer Krafteinwirkung (z. B. Sturz aus dem Stand) sowie eine langfristige Therapie mit Cortison.

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