Qualifizierter Nachwuchs dringend gesucht
Im Wettbewerb um Auszubildende müssen Unternehmen verstehen, wie die Jugend von heute tickt.
„Ich lebe, um zu arbeiten.“ Diese überraschende Aussage trifft jede bzw. jeder fünfte Angehörige der Generation Z. Doch wie kommen die Unternehmen an solche Kandidatinnen und Kandidaten? Demografisch bedingt, interessieren sich Jahr für Jahr weniger Bewerberinnen und Bewerber für freie Stellen. Wer sie von sich überzeugen möchte, muss sowohl bei der Rekrutierung als auch bei der Arbeitsplatzgestaltung neue Wege gehen.
Etwas über eine Million junge Erwachsene verlassen im Jahr 2024 die Schulen und nehmen eine Ausbildung oder ein Studium auf. Das ist weniger als in den Jahren zuvor. In den nächsten Jahren wird diese Zahl demografisch bedingt noch weiter abnehmen. Parallel dazu nehmen die Babyboomer nach und nach ihren Abschied aus dem Berufsleben. Für die Unternehmen ist es nicht leicht, die Lücken zu füllen. Der Wettbewerb um Nachwuchskräfte wird sich deshalb noch mehr verschärfen.
„Digital Natives“ ticken anders
Die Azubis von heute, die die Arbeitnehmer von morgen sind, gehören der Generation Z an – junge Menschen, die zwischen den Jahren 1995 bis 2010 geboren sind. Sie ist die erste Generation, die mit dem Smartphone aufwächst. Sie ist immer online, ihr reales Leben verschmilzt mit der digitalen Welt. Das beinflusst ihr Verhalten. Jugendforscher Simon Schnetzer, der seit 2010 die Trendstudien „Jugend in Deutschland“ veröffentlicht, schreibt unter anderem, dass die Generation Z große Schwierigkeiten hat, Entscheidungen zu treffen. Sie habe zu viele Möglichkeiten und Informationen, aber zu wenig Zeit, um in Ruhe darüber nachzudenken. Zudem sei eine Entscheidung immer nur ein Zwischenstand, bis sich etwas Besseres ergibt. Dabei sei es unerheblich, ob es um eine Verabredung oder um einen neuen Job geht. Gleichzeitig suchen die jungen Menschen Geborgenheit in ihrer Familie: Da viele Beziehungen nur digital gepflegt werden und nicht besonders belastbar sind, brauchen sie den Rückhalt derer, die ihnen am nächsten stehen. Insgesamt gelten sie als technologie-affin, konsumorientiert, anspruchsvoll, engagiert, anpassungsfähig und umweltbewusst. Laut „Millenial Survey 2020“ von Deloitte spielen Arbeitsplatzsicherheit und finanzielle Sicherheit für sie nur eine untergordnete Rolle. Stattdessen wünschen sie sich selbstbestimmtes und flexibles Arbeiten, einen agilen Führungsstil und Möglichkeiten zur persönlichen Weiterentwicklung. Wichtig sind ihnen außerdem Unternehmenswerte wie soziales und nachhaltiges Handeln.
Sich auf neue Bedürfnisse einstellen
Obwohl Arbeitgeber händeringend nach Auszubildenden suchen, bleiben viele Lehrstellen unbesetzt. Laut der Studie „Ländermonitor berufliche Bildung“ der Bertelsmann Stiftung halten viele Unternehmen die Bewerberinnen und Bewerber oft für ungeeignet. Andererseits finden viele Bewerberinnen und Bewerber den Betrieb nicht attraktiv genug. Das betrifft besonders den Einzelhandel. Für ein Drittel der unbesetzten Stellen gibt es schlicht keine Bewerbungen – das gilt beispielsweise für das Lebensmittelhandwerk oder das Hotel- und Gastronomiegewerbe. Vielerorts ist auch der Weg zwischen Wohn- und Ausbildungsort zu weit.
Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung hat schon vor Jahren einen klaren Zusammenhang zwischen der Neubesetzung von Stellen und der Attraktivität von Arbeitsbedingungen festgestellt. Für junge Leute kommen eine schmutzige oder laute Arbeitsumgebung, Wochenend-, Schicht- oder Nachtdienste und Überstunden, Termin- und Zeitdruck sowie eine hohe körperliche Belastung immer weniger in Frage. Wer Nachwuchskräfte von sich überzeugen möchte, muss ihre Bedürfnisse erkennen und ihnen ein Stückweit entgegenkommen. Das beginnt bei einer qualitativ hochwertigen Ausbildung und Entfaltungsmöglichkeiten – auch junge Menschen wollen sich einbringen und Verantwortung übernehmen. Und das hört bei neuen Arbeitszeitmodellen noch längst nicht auf. Teilzeitarbeit, Remote Work (im Homeoffice), die Vier-Tage-Woche oder Jobsharing stehen hoch im Kurs, da sie vertrauensbasiert und flexibel sind sowie eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie bzw. Freizeit ermöglichen. Für eine Stelle sprechen außerdem eine gute Bezahlung, finanzielle Unterstützung bei den Fahrtkosten oder auch beim Führerschein, ein Mietzuschuss oder Bonuszahlungen. Pluspunkte sammeln auch Unternehmen, die es schaffen, ihren Mitarbeitenden ein Wir-Gefühl zu vermitteln. Besonders wichtig ist das im produzierenden Gewerbe, das Lieferfristen einhalten muss; oder auch im Gesundheitssektor, wo es ohne Schichtdienste einfach nicht geht, weil Menschen rund um die Uhr versorgt werden müssen.
Trends im Recruiting
Auch beim Recruiting sollten die Besonderheiten der jungen Generation beherzigt werden. Die Mehrheit der Unternehmen ist dabei allerdings noch nicht gut aufgestellt. Das glauben zumindest die Unternehmen, die das Centre of Human Resources Information Systems (CHRIS) der Universität Bamberg und der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg im Auftrag der Monster Worldwide Deutschland GmbH für die „Recruiting Trends 2020“ befragt hat. Rede und Antwort standen dafür die Personalverantwortlichen der Top-1.000-Unternehmen (die größten deutschen Unternehmen mit mehr als 150 Millionen Euro Umsatz) und der Top-300-Unternehmen aus der IT-Branche (mehr als 30 Millionen Umsatz); außerdem mehr als 3.500 Job-Kandidatinnen und -Kandidaten, von denen ein knappes Viertel der Generation Z angehörte. Ihre Antworten zeigen, worauf es bei der Rekrutierung vor allem ankommt.
Social Recruitung und Active Sourcing
Kandidatinnen und Kandidaten der Generation Z nutzen für die Stellensuche am häufigsten Suchmaschinen und Internet-Stellenbörsen. Weitere Kanäle sind soziale Netzwerkplattformen – dort schauen sich eher Schülerinnen und Schüler sowie Auszubildende um – und Unternehmens-Websites, die vor allem Studierende ansteuern. Sieben von zehn der Suchenden begrüßen es, wenn sich ein Unternehmen in sozialen Netzwerken präsentiert.
Doch die Unternehmen wollen nicht darauf verlassen, dass jemand nach ihnen sucht: Acht von zehn Firmen sind davon überzeugt, dass sie sich aktiv bei geeigneten Kandidatinnen und Kandidaten bewerben müssen. Das Mittel der Wahl ist dabei die Direktansprache. Sechs von zehn Kandidatinnen und Kandidaten der Generation Z wünschen sich, dass die Unternehmen sich via E-Mail an sie wenden. Studierende schätzen es darüber hinaus, wenn sie über eine Nachricht in einem Karrierenetzwerk (beispielsweise XING oder LinkedIn) kontaktiert werden. Etwa jede oder jeder zehnte Befragte freut sich auch über eine Messenger-Nachricht (beispielsweise über WhatsApp oder SnapChat).
Vielversprechend ist auch die Mitarbeiterempfehlung: Jeder dritte Kandidat der Generation Z ist so an seinen Job gekommen. Es liegt an den Unternehmen, ein Umfeld zu schaffen, in dem ihre Mitarbeitenden ihren Arbeitgeber empfehlen. So sollte es nicht negativ auf sie zurückfallen, wenn eine Bewerberin oder ein Bewerber die Erwartungen nicht erfüllt.
Employer Branding
Im Kampf um Bewerberinnen und Bewerber ist es wichtig, sich als attraktiver Arbeitgeber zu positionieren. Neun von zehn Unternehmen glauben, dass ihnen das gelingt, indem sie eine gute Work-Life-Balance, effiziente Kommunikation, Weiterbildungsmöglichkeiten und eine flexible Arbeitsgestaltung bieten. In der Tat ist die Work-Life-Balance für Job-Interessenten sehr wichtig. Anders als gemeinhin angenommen, legen Babyboomer darauf jedoch einen noch höheren Wert als Kandidatinnen und Kandidaten der Generation Z. Zudem gibt jede und jeder fünfte Befragte der Generation Z an, er oder sie lebe, um zu arbeiten – signifikant mehr als bei der Generation Y.
Wichtig sind auch flexible Arbeitsmodelle: Vier von zehn Angehörigen der Generation Z nehmen ein Arbeitsangebot ohne die Möglichkeit, im Homeoffice zu arbeiten nicht an. Daneben kommen Angebote der betrieblichen Gesundheitsförderung sehr gut an: Für sieben von zehn jungen Leuten sind sie das entscheidende Argument für eine Stelle.
Nicht zu unterschätzen ist der Einfluss des Bewerbungsprozesses: Wenn junge Leute dabei schlechte Erfahrungen machen, erzählen sie diese weiter – sowohl mündlich als auch in ihren sozialen Netzwerken. Ihre Freundinnen und Freunde lassen sich davon durchaus beeindrucken: 6,5 von zehn bewerben sich dann nicht bei einer Firma.
Mobile Recruiting
Nachfolgende Generationen werden bald nur noch mobile Endgeräte nutzen. Vor diesem Hintergrund geben 87,5 Prozent der befragten Unternehmen an, dass sie Mobile Recruiting anbieten müssen.
Allerdings nutzt derzeit noch etwa die Hälfte der Kandidatinnen und Kandidaten der Generation Z in ihrem Privatleben ein stationäres Endgerät mit Tastatur. Auch für Jobsuche und Bewerbung greifen sie sowohl auf mobile als auch auf nicht-mobile Geräte zurück. 53,5 Prozent geben an, dass sie die mobile Bewerbung bevorzugen.