

Sektorenübergreifende Versorgung als Schlüsselfaktor
Eine Beschränkung der Diskussion auf die ambulante Versorgung würde die bestehenden Sektorengrenzen reproduzieren und keinen Beitrag für einen ganzheitlichen Ansatz der Versorgungsverbesserung bieten. Obwohl die Politik in den vergangenen Jahren einige Bemühungen zugunsten einer stärkeren Integration der Versorgungsbereiche unternommen hat, sind sowohl die sektoralen Planungssysteme als auch die sektoralen Finanzierungs- und Vergütungssysteme bis heute weitgehend unangetastet. Um die Gesundheitsversorgung insgesamt effizienter zu gestalten, bedarf es unbedingt einer sektorenübergreifenden Bedarfsplanung, kompatibler Vergütungssysteme und einer Neuordnung der Verantwortlichkeiten.
Statt eines ganzheitlichen Reformansatzes hat das Bundesgesundheitsministerium bisher lediglich Insellösungen angestoßen. Aktuell wurde, zurückgehend auf das Vorhaben der Einführung von Hybrid-DRGs im Koalitionsvertrag, die sektorengleiche Vergütung über den §115f im SGB V, als Änderungsantrag zum Krankenhauspflegeentlastungsgesetz, eingeführt. Jedoch erfolgt die Einführung der neuen Vergütungsregelung parallel zum bestehenden DRG-System und zum EBM, sodass zu befürchten ist, dass neben den existierenden stationären und ambulanten Vergütungsformen lediglich ein zusätzlicher dritter Sektor eingeführt wird, statt die Versorgung und damit auch die Vergütungsstrukturen grundsätzlich neu auszurichten.
- Wir begrüßen im Großen und Ganzen die Einführung einer Vergütung für die sektorenübergreifende Versorgung. Allerdings ist die konkrete Ausgestaltung maßgeblich für den Erfolg. Versorgungs- und Vergütungsstrukturen sollten nicht komplexer ausgebaut, sondern sinnvoll zusammengeführt werden. So gibt es bereits jetzt eine Vielzahl von transsektoralen Versorgungsformen, wie ambulantes Operieren im Krankenhaus, ambulante spezialfachärztliche Versorgung, teilstationäre Behandlung, sequenzielle stationäre Behandlung oder stationsäquivalente Behandlungen, die um stationäre Tagesbehandlungen und Hybrid-DRGs ergänzt werden sollen. Diese werden über eine Vielzahl verschiedener Vergütungssysteme abgerechnet, obwohl sie medizinisch gleichwertig sein können. Vor der Anwendung einer neuen Vergütungssystematik müssen die Indikations- und Prozedurenbeschreibungen einer Bestandsaufnahme unterzogen werden. Darüber hinaus ist es erforderlich, dass sektorenübergreifende Versorgungsformen flächendeckend und einheitlich umgesetzt werden, um Wanderungsbewegungen unprofitabler Prozeduren zwischen teilnehmenden und nicht teilnehmenden Versorgern zu vermeiden.
Der Koalitionsvertrag der Ampel-Koalition sieht vor, die ambulante Bedarfs- und stationäre Krankenhausplanung gemeinsam mit den Ländern zu einer sektorenübergreifenden Versorgungsplanung weiterzuentwickeln. Erste Ansätze finden sich bereits in der dritten Stellungnahme der Regierungskommission Krankenhausreform zur grundlegenden Reform der Krankenhausvergütung, die eng mit einer sektorenübergreifenden Versorgung verknüpft werden soll. In den neu definierten Level 1i-Häusern der Grundversorgung sollen geeignete, bisher stationär erbrachte Leistungen zukünftig ambulant erbracht werden. Hier sollen allgemeine und spezialisierte ambulante fachärztliche Leistungen mit Akutpflegebetten verbunden werden. Die sektorenübergreifende Planung des Levels 1i soll in regionalen, paritätisch besetzten Gremien unter Beteiligung der Länder erfolgen. Für die Harmonisierung der Planungsebenen der ambulanten Bedarfsplanungsrichtlinie mit den Krankenhausplanungen der Länder sollen einheitliche Planungsebenen etabliert werden, die sich insbesondere an Kreisen oder Raumordnungsregionen orientieren. Für Detailfragen wurde eine baldige gesonderte Stellungnahme angekündigt.
- Eine einheitliche, sektorenübergreifende Bedarfsplanung ist unbedingt erforderlich. Allerdings muss gleichzeitig ein konsequenter Abbau der Sektorengrenzen erfolgen. Eine isolierte Umsetzung ist daher nicht ausreichend. Außerdem führt eine sektorenübergreifende Bedarfsplanung nicht zwangsläufig zu einem Abbau doppelter Facharztstrukturen. Anstehende Bedarfsplanungsreformen sollten berücksichtigen, dass eine Neuordnung in ambulante Primärversorgung und transsektorale eingleisige Facharztversorgung nicht nur personelle Ressourcen freigeben würde. Darüber hinaus könnten auch die Ambulantisierung und der Umbau des stationären Sektors beschleunigt werden.
Für eine sektorenübergreifende Bedarfsplanung spielen Versorgungsformen wie Medizinische Versorgungszentren oder regionale Gesundheitszentren eine wesentliche Rolle. Sie befinden sich an der Schnittstelle zwischen der ambulanten/hausärztlichen und der klinischen Versorgung. Zusammen mit Level-1i-Kliniken könnten sie wirkungsvoll dazu beitragen, doppelte Facharztstrukturen zu reduzieren und medizinisches Personal effizienter einzusetzen. Die Ampel-Koalition möchte daher den Ausbau multiprofessioneller, integrierter Gesundheits- und Notfallzentren strukturell und finanziell durch spezifische Vergütungsstrukturen fördern.
- Der Aufbau weiterer multiprofessioneller, integrierter Gesundheitszentren ist grundsätzlich zu befürworten. Inzwischen gibt es eine Vielzahl vorgeschlagener Modelle und Ausgestaltungen. Wir setzen uns für das Modell eines regionalen Gesundheitszentrums ein, in dem ein umfangreiches Versorgungsangebot unter einem Dach realisiert wird. In Verbindung mit der Krankenhausstrukturreform könnten bestehende ambulante Einzelpraxen und nicht rentable kleine Krankenhäuser in unterversorgten Regionen effizient zu einem neuen Versorgungsmodell in Form hybrider Behandlungsangebote zusammengeführt werden. Statt der üblichen Arztzentrierung soll mit einer hausärztlichen Versorgung als Grundpfeiler eine Vernetzung mit fachärztlichen und weiteren medizinischen Fachberufen realisiert werden. Einheitliche Vorgaben zu Besetzung und Leistungsangebot können bundesweit gleichwertige Versorgungsstandards garantieren. Kassen sollten als Lotsen auf dem Versorgungspfad unterstützen und so die Ärzte und medizinischen Fachberufe organisatorisch entlasten. Um Doppelstrukturen zu vermeiden, bedarf es im Zuge der Krankenhausreform einer funktionalen Abgrenzung zu Level-1i-Kliniken sowie einer Vereinheitlichung der Vergütungs- und Planungssystematik.
Ein Punkt, der bei der gesetzgeberischen Ausgestaltung der sektorenübergreifenden Versorgung oft übersehen wird, ist die Versorgungssteuerung. Der deutliche Mangel an Gesundheitskompetenz bei Patienten in Deutschland erschwert die Orientierung des Patienten im System und bei der Leistungsinanspruchnahme, was zu Versorgungslücken, Doppeluntersuchungen, Informationsverlusten und unnötigen Therapiewechseln führt. Für eine qualitativ hochwertige und effiziente Versorgung ist es sinnvoll, die unterschiedlichen Versorgungsbereiche zu vernetzen und kommunikativ zu verbinden. Hierbei können die gesetzlichen Krankenkassen eine zentrale Rolle einnehmen, da sie oft der einzige Akteur im Gesundheitswesen sind, der die Patienten kontinuierlich über viele Jahre auf dem Versorgungspfad begleitet und darüber hinaus Daten aus allen Versorgungsbereichen für den entsprechenden Zeitraum zusammenführen kann. Eine entsprechend stärker gestaltende Rolle der Kassen sollte in die anstehenden Reformen der Gesundheitsversorgung ebenfalls Eingang finden.
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