

Konkrete Strategien zum Umsetzen des „autoritativen Erziehungsstils“
Ergänzend zur Broschüre finden Sie hier weitere Informationen zum autoritativen Erziehungsstil.
Der autoritative Erziehungsstil nach Baumrind (1971) umfasst die drei Komponenten Wertschätzung, Struktur und Autonomie. Wertschätzung gilt im Allgemeinen als Grundlage für die anderen beiden Komponenten. Deswegen stellen wir sie am ausführlichsten dar.
Wenn wir andere Menschen wertschätzen, greifen wir auf bestimmte Kommunikationsstrategien zurück, die unter dem Fachbegriff „Validierung“ zusammengefasst werden. Der Begriff bedeutet so viel wie „wert sein“, „gelten“ oder auch „gültig sein“. Wenn wir validieren, wollen wir anderen vermitteln, dass wir ihre Sicht der Dinge als für sie richtig und gültig annehmen. Wir fühlen uns empathisch in andere ein und bringen Verständnis für ihre Gefühle, Gedanken und Verhaltensweisen auf, ohne zu (be-)werten. Validierung bedeutet allerdings nicht, allem zuzustimmen, mit allem einverstanden zu sein oder alles gut zu finden, was andere äußern. Im Gegenteil: Zum Validieren gehört auch, auszusprechen, dass wir etwas (noch) nicht verstehen.
Der autoritative Erziehungsstil baut auf dieser Haltung auf. Der Kommunikation mit Kindern und Jugendlichen sollte stets der Wunsch zugrunde liegen, empathisch und wertschätzend auf sie eingehen und verstehen zu wollen, was sie bewegt. Im Folgenden stellen wir einige Kommunikationsstrategien näher vor und geben Tipps zur Umsetzung.
Eine wichtige Grundlage ist das konzentrierte Zuhören. Zeigen Sie, dass Sie aufmerksam zuhören, indem Sie Blickkontakt halten, nicken oder auch mit einzelnen Wörtern wie „aha“ oder „verstehe“ signalisieren, dass Sie zugehört und verstanden haben. Gerade in der heutigen Welt kann es herausfordernd sein, uneingeschränkt aufmerksam zu sein. Medien wie das Smartphone sorgen leicht für Ablenkung. Es ist aber essenziell, dass Sie der/dem Jugendlichen signalisieren, ganz da zu sein. Und natürlich: Wenn wir von Jugendlichen erwarten, dass sie mit uns ohne Ablenkung durch Smartphones etc. kommunizieren, sollten wir selbst mit gutem Beispiel vorangehen.
Es kann sinnvoll sein, im Gespräch ab und zu zusammenzufassen, was Sie verstanden haben – natürlich nicht nach jedem Satz, sondern nach einem zusammenhängenden Abschnitt. Damit machen Sie deutlich, dass Sie bei der Sache sind und Ihr Gegenüber wirklich verstehen wollen. Gleichzeitig kann ein eventuelles Missverständnis unmittelbar ausgeräumt werden. Ein Gespräch, das ins Stocken geraten ist, können Sie so wieder anregen. Geben Sie das Gesagte ruhig auch mit den Worten Ihres Kindes wieder, wenn es zur Situation passt und Sie dabei authentisch bleiben.
Hierbei geht es darum, Emotionen Ihres Kindes, die Sie wahrnehmen, zu benennen. Stellen Sie sich vor, Ihr Kind kommt sichtlich geknickt nach Hause. Nach und nach erfahren Sie, dass die erste Liebesbeziehung in die Brüche gegangen ist. Ihr Kind wirkt niedergeschlagen, sitzt zusammengesunken da und weint vielleicht. Neben anderen Möglichkeiten könnten Sie sagen: „Ich hab‘ den Eindruck, dass du ganz schön traurig bist.“ Wenn das zutrifft, wird sich Ihr Kind verstanden fühlen. Vielleicht hilft es ihm auch, die eigenen Gefühle besser kennenzulernen und zu verstehen. Sie sollten sich aber sicher sein, dass Sie die Emotionen richtig deuten und sehr behutsam vorgehen.
Manche Herausforderungen bedrücken uns, weil wir schlechte Erfahrungen in ähnlichen Situationen gemacht haben. So kann es auch Ihrem Kind beispielsweise mit schulischen Herausforderungen gehen. Nach der letzten Mathearbeit, die nicht gut lief, steht nun eine weitere Arbeit an. Ihr Kind ist am Abend vorher aufgeregt und unruhig. Zeigen Sie Verständnis, indem Sie sich auf die gemachte Erfahrung beziehen. Vielleicht sagen Sie: „Die letzte Arbeit war ja nicht so, wie du wolltest. Ich kann mir vorstellen, dass dir das noch im Kopf herumgeht und du ganz schön aufgeregt bist.“ So versteht vielleicht auch Ihr Kind besser, woher die Ängste und Sorgen kommen. Allzu oft sollten Sie aber nicht den Blick auf die Vergangenheit richten. Jugendliche könnten sonst den Eindruck bekommen, dass sich die Vergangenheit automatisch wiederholt und sie wenig an ihrer Situation ändern können.
Rücken Sie das „Hier und Jetzt“ in den Mittelpunkt. Dies kann insbesondere hilfreich sein, wenn Sie sich bereits in einer Konfliktsituation mit Ihrem Kind befinden. Sprechen Sie offen an, wie Sie die Situation gerade wahrnehmen. Achtung: Bleiben Sie bei einer fragenden Haltung! Ihr Kind erlebt die Situation vielleicht ganz anders. Sie können wie oben beschrieben Emotionen ansprechen: „Du bist echt wütend, oder?“ Oder aber Sie äußern Ihre Gedanken: „Ich hab‘ den Eindruck, dass du gerade keinen Bock auf das Gespräch hast.“ Zunächst hört sich diese Strategie komisch an, und möglicherweise befürchten Sie, mit dem Vorgehen „Öl ins Feuer“ zu gießen und alles noch viel schlimmer zu machen. Aber auch hier geht es darum, Ihr Kind in seinem Denken und Fühlen ernst zu nehmen und auf diese Weise Verständnis zu signalisieren.
Neben den beschriebenen Strategien ist es auch erlaubt und erwünscht, „echt“, also authentisch zu sein. Das bedeutet, dass Sie auch formulieren dürfen, wenn Sie sich über etwas ärgern, unzufrieden sind und sich eine Veränderung wünschen. Jugendliche haben bereits viele Erfahrungen mit ihren Eltern und anderen Erwachsenen gemacht und wissen sehr genau, dass es Regeln und Grenzen gibt. Wenn Sie nun plötzlich alles gut finden und behaupten, dass Sie alles nachvollziehen können (und wollen), wirkt das unglaubwürdig. Dadurch entsteht bei Jugendlichen der Eindruck, nicht ernst genommen zu werden. Natürlich dürfen Sie auch echt sein, wenn Sie sich über etwas freuen, was Ihr Kind gemacht hat. Zeigen Sie auch deutlich, wenn Sie stolz auf es sind.
Es klingt wahrscheinlich banal, aber wir können gar nicht genug loben. Denken Sie einmal selbst daran, wie viel Kraft ein ernst gemeintes Lob auf der Arbeit, im Haushalt oder in einer Freundschaft auslösen kann. Natürlich gilt das auch für Jugendliche, auch wenn sie manchmal den Eindruck erwecken, Lob nicht annehmen zu können oder abzutun. Hierzu gibt es einen kleinen Trick: Sie können auch hierbei vorwegnehmen, dass Sie wissen, dass es Ihrem Kind schwerfällt, Lob anzunehmen und dass Sie trotzdem stolz sind: „Ich weiß, du willst das nicht so hören. Ich fand das trotzdem richtig stark, dass du den Nachbarn geholfen hast.“
Sie nehmen Ihr Kind auch ernst, wenn Sie ihm einen gewissen Freiraum bei der Auswahl des Gesprächszeitpunkts einräumen – gerade in Konfliktsituationen. Es kann sein, dass Ihr Kind (noch) nicht bereit ist, mit Ihnen zu sprechen. Eine drängende, beharrende Haltung kann die Abwehrhaltung Ihres Kindes unter Umständen noch verstärken. Geben Sie ihm Freiraum, wenn es gerade nicht sprechen möchte, und signalisieren Sie Gesprächsbereitschaft, ohne zu drängen: „Okay, du möchtest gerade nicht darüber sprechen. Mir ist es wirklich wichtig, dass wir das klären. Gib mir Bescheid, wenn du dazu bereit bist.“
Die zweite Kernkomponente des autoritativen Erziehungsstils ergänzt und erweitert den Bereich der Wertschätzung um „Leitplanken“. Diese stehen für Klarheit und Konsequenz. Eltern legen klare Regeln und Grenzen fest und wenden Konsequenzen an, wenn diese nicht eingehalten werden. Ihr Handeln wird so für die Jugendlichen vorhersagbar. Das gibt ihnen Sicherheit und Orientierung. Klar und vorhersagbar wird elterliches Verhalten auch dadurch, dass sie in vergleichbaren Situationen ähnlich agieren.
Konsequenzen können sowohl positiv sein (Belohnung) als auch negativ (Bestrafung). Oftmals haben positive Konsequenzen eine nachhaltigere Wirkung, während Bestrafung meist nur kurzfristig und punktuell wirksam ist. Denken Sie an alltägliche Situationen wie Radarmessgeräte an einer Straße. Dort, wo das Gerät steht, halten sich nahezu alle Autofahrenden an Geschwindigkeitsbeschränkung, um Bußgelder zu vermeiden. Auf anderen Straßenabschnitten oder nach Abbau der Kontrollstation wird aber weiterhin gerast. Belohnungslernen demgegenüber braucht zwar mehr Zeit. Die erwünschten Verhaltensweisen werden dabei aber stärker verinnerlicht.
Manchmal kann es notwendig sein, auch negative Konsequenzen einzusetzen, um problematisches Verhalten aufzuzeigen und schnell einzugrenzen. Dazu gehören zum Beispiel negative Rückmeldungen, die Sie möglichst klar, eindeutig und ruhig formulieren sollten, oder auch der Entzug von angenehmen Dingen wie Medienzeit. Versuchen Sie dabei, einen kühlen Kopf zu bewahren. Denken Sie immer daran, was Ihnen Ihr Kind bedeutet, bevor Sie aus einem heißen Gefühl heraus „lospreschen“ und laut, unfair oder verallgemeinernd werden. Möglicherweise brauchen Sie zunächst etwas Abstand, um sich zu beruhigen, bevor Sie das Gespräch suchen. Es ist sinnvoll, Konsequenzen anzukündigen, ohne dabei zu drohen, und sie dann tatsächlich auch umzusetzen. Sprechen Sie deshalb nur solche Konsequenzen aus, die Sie auch bereit sind umzusetzen.
Wenn bestimmte Konflikte zwischen Ihnen und Ihrem Kind immer wieder auftreten, kann es hilfreich sein, das Gespräch darüber außerhalb der Streitsituationen zu suchen. Formulieren Sie, was Sie genau stört, und hören Sie auch die Sichtweise Ihres Kindes ernsthaft an. Gemeinsam können Sie dann ein Ziel festlegen und die positiven oder negativen Konsequenzen besprechen, wenn Ihr Kind sich daran hält oder die Vereinbarung missachtet. Konzentrieren Sie sich bei solchen Gesprächen auf ein zentrales Konfliktthema und achten Sie darauf, klare und erreichbare Ziele festzulegen.
Positive Konsequenzen, das Belohnungslernen, verstärkt erwünschtes Verhalten und ist deshalb weit nachhaltiger wirksam. Wichtig ist hierbei zu unterscheiden: Belohnungen können materiell sein, zum Beispiel ein zusätzliches Taschengeld, oder aber sozial und zwischenmenschlich, zum Beispiel ein Lächeln, Lob und Zuwendung. Soziale, zwischenmenschliche Belohnungen sind besonders wertvoll. Bestärken Sie ein gewünschtes Verhalten Ihres Kindes möglichst über Lob und Zuwendung. Das stärkt Ihre Beziehung zueinander und bietet die größte Chance, dass eine Motivation, die wir von außen angestoßen haben, auch „intrinsisch“ (das bedeutet: von „innen heraus“) wirkt. Langfristig wird Ihr Kind das Ziel verinnerlichen und sich selbst freuen oder stolz auf sich sein, wenn es sich dementsprechend verhält.
Wie bereits zum Thema Wertschätzung beschrieben, können Sie eigentlich gar nicht genug loben. Suchen Sie dafür aber einen persönlichen Rahmen. In aller Öffentlichkeit oder in Gegenwart des Freundeskreises ist es Jugendlichen oft peinlich, von Ihren Eltern beispielsweise für schulische Leistungen gelobt und dabei vielleicht auch noch umarmt zu werden. Nutzen Sie Gelegenheiten für Lob und Zuwendung, wenn Sie alleine mit Ihrem Kind sind. So kann es das Lob besser annehmen und behält die Situation in guter Erinnerung.
Die dritte Kernkomponente des autoritativen Erziehungsstils ist die Autonomie (Selbstständigkeit, Unabhängigkeit). Neben der Notwendigkeit von richtungsgebenden Leitplanken (Struktur) ist es wichtig, auch die Wünsche und Bedürfnisse von Jugendlichen anzuerkennen und bei Bedarf von vorgefassten Plänen auch mal abzuweichen. Jugendliche sind auf dem Weg, erwachsen zu werden. Sie müssen lernen, immer mehr Entscheidungen selbstständig und eigenverantwortlich zu treffen. Indem wir ihnen diese Freiräume gewähren, signalisieren wir Vertrauen und Wertschätzung.
Fragen Sie sich, was Sie sich für die Zukunft Ihres heranwachsenden Kindes wünschen: Wie selbstbestimmt soll es leben? Wie schnell soll das eintreten? Wie viel Angst vor Neuem soll bei diesem Prozess enthalten sein oder wie viel Mut, Wissbegierde und Neugierde? Fragen Sie sich dann, was Sie dafür tun können, damit aus Ihrem Kind ein eigenständiger erwachsener Mensch wird: In welchen Bereichen können Sie welche eigenen Entscheidungen jetzt schon zulassen? Bei welchen Herausforderungen und Entscheidungen sollten Sie sich weiter einbringen? Denken Sie dabei auch daran, dass Wachstum selten ohne Herausforderungen stattfindet und es insbesondere für Jugendliche wichtig ist, neue Dinge auszuprobieren und manches zu wagen, ohne große Gefährdungen einzugehen.
Es geht bei Autonomie darum, einerseits in der Nähe Jugendlicher zu sein und gleichzeitig zunehmend mehr Entscheidungsspielraum zuzulassen. Dabei ist es nicht notwendig, dass Sie mit speziellen Tricks in den Kopf Ihres jugendlichen Kindes schauen. Fragen Sie Ihr Kind, ob es sich etwas selbst zutraut und sich in der Lage sieht, Dinge selbst zu entscheiden und umzusetzen. Mit einem solchen Vorgehen sind Sie gleichzeitig sehr wertschätzend und Ihr Kind wird sich sehr ernst genommen fühlen.
Manche der beschriebenen Vorgehensweisen werden Ihnen eher liegen, während Sie sich vielleicht mit anderen schwerer tun. Keine der Strategien ist besser als eine andere. Es geht vielmehr darum, dass Sie mit diesen gut ausdrücken können, dass Sie „in der Nähe“ Ihres heranwachsenden Kindes sind und es beim Erwachsenwerden liebevoll begleiten. Bedenken Sie auch: Es ist noch keine Meisterin / kein Meister vom Himmel gefallen. Sicherlich braucht es etwas Übung, neue Verhaltensweisen in den Alltag zu übernehmen und flexibel einzusetzen. Dass Sie es versuchen, ist schon der erste Schritt.
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