

Dating-Burnout
Wenn die Online-Partnersuche krank macht
Bessere Laune, höherer Selbstwert – und am Ende die große Liebe: Das erhoffen sich viele Singles von der Partnersuche im Internet. Und tatsächlich kann die Online-Partnersuche so laufen. Sie kann aber auch anders verlaufen. Acht von zehn Suchenden berichten von negativen Gefühlen und sogar von emotionaler Erschöpfung durch Online-Dating. Bis hin zu depressiven Gedanken, die ein Burnout annehmen können. Zu Deutsch: Ausgebranntsein. Das hat eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Forsa im Auftrag der KKH ergeben, das mehr als 1.000 Singles im Alter von 18 bis 60 Jahren befragt hat.
Online-Dating Burnout
Es beginnt mit einem Gefühl emotionaler Erschöpfung durch zu viele und erfolglose Online-Dating-Erfahrungen. Das führt zu Selbstzweifeln, Zynismus und mangelnder Energie im Alltag. Ähnlich wie das Burnout im Beruf.
Das Ergebnis deckt sich mit ersten Studien von Hochschulen zum Thema. Sie alle sehen das Online-Dating längst nicht mehr nur als Chance auf die große Liebe, sondern auch als ernsthafte Gefahr für die Psyche. Wer ist besonders betroffen? Wie kann ich mich schützen? Und wie können wir besser daten? Darum soll es in dieser Frühlingsausgabe unseres Newsletters gehen. Denn Frühlingszeit ist bekanntlich Datingzeit.
Ein halbes Jahr nonstop auf Partnersuche
In den großen Publikumszeitschriften fing es an: „Hate to date“, „Liebeshungrige mit Burnout“ oder „Emotionale Limits“ titelten Magazine, um einen Trend zu beschreiben, den viele Online-Partnersuchende aus eigener Erfahrung längst kannten: die schöne Suche nach der leichtfüßigen Liebe führt zu schwerem Frust, Stress und gar zur Erschöpfung. Ähnlich wie das Burnout auf der Arbeit, das von Überlastung herrührt. Mittlerweile belegen dies wissenschaftliche Studien mit Zahlen.
Es klingt paradox: Noch nie waren so viele Menschen in Deutschland Singles. Und noch nie hatten sie es so einfach, andere kennenzulernen – dank Internet weit über den eigenen kleinen Kreis an Freunden und Bekannten hinaus. Längst rangiert das Internet auf Platz Eins als Ort zur Beziehungsanbahnung – noch vor dem Kennenlernen auf der Arbeit oder im Freundeskreis. Jeder dritte Internetnutzer über 16 Jahren sucht mittlerweile im World Wide Web nach einer Partnerin oder einem Partner, ergab eine Bitkom-Studie.
Rein rechnerisch erhöht das enorm die Chancen auf eine romantische Beziehung. Abends bequem vom Sofa aus swipen, liken, matchen, chatten und flirten – das klingt zunächst verlockend, kann aber auf längere Sicht zu einem Nebenjob ausarten. Wissenschaftler haben errechnet, dass für ein einziges Date im Schnitt 57 Matches notwendig sind. Und andere sprechen wiederum davon, dass für eine Partnerschaft 291 Matches erforderlich sind. Am Ende sind das 257 Stunden Lebenszeit, umgerechnet fast ein halbes Jahr.
Partnersuche wie die Suche nach außerirdischem Leben im All
Der britischer Mathematiker Peter Backus hat gar für sich errechnet, dass die Chance auf seine perfekte Partnerin nur 1 zu 285.000 beträgt. Dabei nutzte er eine mathematische Formel, die auch bei der Suche nach außerirdischem Leben angewendet wird. Seine Kriterien waren gar nicht hochgegriffen: Sie musste im heiratsfähigen Alter sein, in der Nähe von London leben, einen Uniabschluss haben und ihn attraktiv finden. Am Ende blieben von 30 Millionen Britinnen nur 26 potenzielle Kandidatinnen übrig. Und so schlecht sah dieser Mathematiker gar nicht aus.
Doch leider hat auch so mancher Online-Chat den Charme einer quälerischen Mathe-Stunde, in der man die Zauberformel nicht checkt. „Oberflächlich“, „unehrlich“, „geschönt“ und „nur sexuell“ – so schildern Singles in der Forsa-Studie ihre Chatverläufe. „Es ist ja immer wieder dasselbe: Man swipt, man schreibt, man wird geghostet“, sagt Wera Aretz, Psychologie-Professorin an der Hochschule Fresenius in Köln, die eine der ersten deutschen Studien zum Thema gemacht hat.
Frauen und Jüngere besonders betroffen
Unter dieser Oberflächlichkeit leiden besonders Frauen. 18- bis 39-jährige Nutzende erleben besonders häufig, dass sie keine Antwort auf ihre Nachrichten bekommen oder der Kontakt plötzlich abbricht, so das Ergebnis der Forsa-Umfrage im Auftrag der KKH. Das Online-Dating-Burnout betrifft daher vor allem Frauen und die Singles, die eine echte romantische Beziehung suchen.
Psychologie-Professorin Aretz nennt sie die „Bindungsängstlichen“: Menschen, denen eine Beziehung viel bedeutet und die folglich große Verlustangst empfinden. Hinzu kommt meist ein schwaches Selbstbewusstsein. Trifft dies auf Ablehnung, Oberflächlichkeit und Egoismus im Internet, ist die Burnout-Gefahr groß. Es fängt mit einem starken Gefühl emotionaler Erschöpfung an und geht weiter zur Entfremdung vom eigenen Körper und Selbstbild. Bin ich nicht gut genug? Einige Betroffene berichten: „Seit ich Online-Dating ausübe, bin ich Menschen gegenüber gleichgültiger geworden.“ Oder: „Ich befürchte, dass mich meine Dating-Erfahrung emotional verhärtet.“ Solche menschenfeindlichen Gedanken sollten als klare Warnsignale verstanden werden. Spätestens wenn die Leistungsfähigkeit im Alltag durch die Partnersuche nach unten geht und sich Resignation und Trägheit breit machen, sollte das Dating eine Pause einlegen.
Zu viel Auswahl gleich zu wenig Sex
Online-Dating braucht Geduld und Ausdauer, das schreiben die Portale und Apps natürlich nicht auf ihre Werbeplakate unter den lachenden Gesichtern. Nicht nur Frauen leiden, sondern auch immer mehr junge Männer, die nicht zum Match und damit zum Zug kommen. Die Zahlen der einsamen Menschen und auch jüngeren Deutschen ohne Sexleben steigen. Das „Paradoxon der Wahl“ nennen das Expertinnen wie die Mathematikerin Hannah Fry. Oder wie es der Volksmund uncharmanter formuliert: „Es könnte ja noch jemand besseres kommen.“ Wie vor einem vollen Joghurt-Regal im Supermarkt, gehen wir am Ende mit leerem Warenkorb nach Hause. Wir konnten uns nicht entscheiden. Zu viele Optionen führen letztlich zu gar keiner Entscheidung.
So haben sich die monatlichen Besuche mancher bekannten Swipe-App bereits halbiert. Auch Bezahlfunktionen führen für viele Singles nicht zum erhofften Erfolg, weshalb ebenfalls weniger Menschen bereit sind, für die frustrierende Partnersuche noch Geld auszugeben.
Doch wie daten wir nun besser? Und wie wappnen wir uns vor einem Online-Dating-Burnout? In unseren Fakten-Snacks geben wir Ihnen Tipps für ein gesundes Dating jetzt im Frühling. Der wichtigste gleich vorweg: Wen die Online-Suche nur noch frustriert, legt das Handy am besten weg und schaut sich im „echten Leben“ um. Der Trend geht wieder zum „Offline-Daten“. Die Spanier führen Single-Abende in Supermärkten ein und der Einkaufskorb verrät nicht nur, ob jemand gesund lebt, sondern auch ein potenzieller Partner ist. Die Deutschen rennen in Laufgruppen durch die Parks und damit dem potenziellen Partner in die Arme.
Und auch wenn die Mathematik kein Garant für die Liebe ist, hält sie doch Tröstliches bereit: die Kraft des Zufalls. Hannah Fry argumentiert, dass Mathematik zwar nützliche Strategien bei der Partnersuche bildet, aber letztlich der Zufall und das richtige Timing entscheiden. Zufällen kann man auf die Sprünge helfen, indem man Gelegenheiten schafft und möglichst unter die echten Menschen im Alltag geht.
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