#MehrAlsAllein: Einsamkeit hat viele Gesichter
19.12.2024 • 7 Minuten Lesedauer
Einsam ist nicht, wer allein ist. Einsam ist, wer sich allein fühlt.
Viele kennen das Gefühl von Einsamkeit. Darüber sprechen tun jedoch nur wenige. Selbst in einer vernetzten Welt oder umgeben von anderen fühlen sich viele Menschen allein. Oft mangelt es nicht an sozialen Kontakten, sondern an tiefen Beziehungen. In einer aktuellen forsa-Umfrage, die im Auftrag der KKH erschienen ist, wurden bundesweit 1.002 Personen im Alter von 18 bis 50 Jahren zum Thema Einsamkeit befragt.
Das Ergebnis: Ein Viertel der Befragten fühlt sich manchmal einsam, bzw. außen vor.
Im Bericht zur Langzeitentwicklung von Einsamkeit in Deutschland – dem Einsamkeitsbarometer 2024, das im Auftrag des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) und vom Kompetenznetz (KNE) im Mai 2024 veröffentlicht wurde – lassen sich geschlechtsspezifische Unterschiede erkennen: Frauen berichten häufiger von Einsamkeitserfahrungen als Männer. Die Coronapandemie hat den sogenannten „Gender-Loneliness-Gap“ weiter vergrößert. Auch bei Menschen in schwierigen Lebenslagen – etwa Alleinerziehende, pflegende Angehörige, Arbeitslose oder Personen mit Migrationsgeschichte – zeigt sich Einsamkeit stärker. Die Ursache dieses Gefühls ist oft der unerfüllte Wunsch nach echter Nähe und Verständnis – nach Menschen, die einen wirklich sehen und verstehen.
Einsamkeit: unsichtbar und unbemerkt
Einsamkeit hat viele Gesichter. Oft bleibt sie jedoch unsichtbar und unbemerkt. In der Psychologie unterscheidet man zwischen drei Arten von Einsamkeit, die jeweils unterschiedliche Ursachen haben und daher auch das individuelle Wohlbefinden auf unterschiedliche Weise beeinflussen:
Soziale Einsamkeit entsteht oft durch das Gefühl, von Gemeinschaften ausgeschlossen zu sein oder sich allein durch den Alltag zu bewegen. Viele Menschen fühlen sich dabei „wie ein Astronaut im Weltall“ – isoliert und unverbunden, obwohl sie Teil eines Netzwerks sind. Laut aktueller KKH-Umfrage sagen über die Hälfte der Befragten, dass sie zu wenig Zeit für Kontaktpflege haben, zum Beispiel aufgrund eines stressigen Jobs, Kindererziehung oder anderen Verpflichtungen.
Emotionale Einsamkeit bezieht sich auf das Gefühl, nicht wirklich verstanden zu werden, auch wenn man von anderen umgeben ist. Der Eindruck, „von einem anderen Stern“ zu sein, zeigt, dass es hier nicht um die Anzahl, sondern um die Tiefe der Bindungen geht.

Laut unserer forsa-Umfrage haben sich rund zwei Drittel der 18- bis 50-Jährigen schon einmal außen vor oder auch einsam gefühlt (64 Prozent). Einem Viertel der Befragten fehlt die Gesellschaft anderer Menschen häufig oder manchmal, auf 39 Prozent trifft dies eher selten zu. Alarmierend: Die Hälfte der Betroffenen fühlt sich in Momenten der Einsamkeit traurig und depressiv (51 Prozent), jede vierte Person kraftlos oder ausgebrannt (25 Prozent), jede elfte Person ängstlich (neun Prozent).
Kollektive und kulturelle Einsamkeit beschreibt das Fehlen eines Zugehörigkeitsgefühls zu einer größeren Gruppe oder Gemeinschaft. Betroffene fühlen sich nicht wirklich als Teil ihrer sozialen Umgebung oder fremd in der eigenen Kultur.
Vernetzt und doch einsam
Trotz grenzenloser Vernetzung auf digitalen Plattformen erleben viele Menschen eine neue Form der Einsamkeit – die digitale Einsamkeit. Online-Interaktionen sind häufig oberflächlich und lassen keine menschliche Nähe entstehen. Was bleibt, ist ein Gefühl der Isolation. Besonders belastend ist es, wenn sich die Ausgrenzung aus dem „echten“ Leben online fortsetzt, beispielsweise durch den Ausschluss aus Gruppen, Online-Konflikte oder Cybermobbing.

Der ständige Vergleich in den sozialen Medien erhöht zusätzlich den Druck und verstärkt das Gefühl des Alleinseins, während echte Verbundenheit auf der Strecke bleibt. Laut forsa-Umfrage liegt für fast ein Drittel der Befragten die Ursache für Einsamkeit in der überwiegend digital ablaufenden persönlichen Kommunikation.
Folgen von Einsamkeit für die Gesundheit
Einsamkeit wird dann problematisch, wenn sie sich dauerhaft verfestigt und die betroffene Person einen hohen Leidensdruck spürt. In diesem Fall spricht man von chronischer Einsamkeit. Diese Form der Einsamkeit macht nicht nur unglücklich, sie kann auch zu erheblichen physischen und psychischen Problemen führen. Studien zeigen, dass Menschen, die unter chronischer Einsamkeit leiden, ein erhöhtes Risiko für Depressionen, Angststörungen und sogar suizidale Gedanken aufweisen. Auch die Schlafqualität verschlechtert sich häufig, was das allgemeine Wohlbefinden weiter mindert.
Langfristig wirkt sich Einsamkeit auch auf die körperliche Gesundheit aus, denn das Gefühl beeinflusst das Immunsystem negativ. Dies macht Betroffene anfälliger für Infektionen und erhöht das Risiko für verschiedene Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) ist auch das Sterberisiko bei dauerhaft einsamen Menschen erhöht, vergleichbar mit dem von starken Rauchern.
Raus aus der Einsamkeit!
Einsamkeit kann sich lähmend anfühlen, weil es keinen Ausweg zu geben scheint. Oft führen Scham oder die Angst, von anderen als „seltsam“ wahrgenommen zu werden, dazu, dass Betroffene sich noch weiter zurückziehen und isolieren. Doch es gibt Wege, aus diesem Teufelskreis auszubrechen. Hier sind einige wertvolle Tipps, die dabei helfen können, Einsamkeit zu überwinden:
Scham überwinden:
Trau dich, über deine Einsamkeit zu sprechen. Oft ist der erste Schritt der schwierigste, doch er ist entscheidend. Offene Gespräche helfen dabei, das Schamgefühl zu überwinden. Wenn du Hilfe benötigst, findest du auf unserem Blog KKH-Leben einige Beiträge zum Thema Mental Health – darunter viele Tipps, wie du dich mit deinen Gefühlen auseinandersetzen kannst.
Selbstbewusstsein stärken:
Mangelndes Selbstbewusstsein ist eine häufige Ursache für Einsamkeit. Es kann dich daran hindern, neue Kontakte zu knüpfen. Arbeite an deinem Selbstwertgefühl und deinem Vertrauen in dich selbst – das ist ein wesentlicher Schritt, um aus der Isolation herauszukommen.
Aktiv Kontakt suchen:
Es ist oft schwer, den ersten Schritt zu machen, aber der Kontakt zu Freunden oder der Familie hilft, die Einsamkeit zu lindern. Es müssen nicht immer tiefschürfende Gespräche sein. Schon ein regelmäßiger Kontakt und das Teilen von Alltagsmomenten können Nähe und Unterstützung schaffen. Präventionsreisen und -kurse sind eine gute Gelegenheit, neue Menschen kennenzulernen und etwas für dein Wohlbefinden zu tun.
Geduld üben:
Die Überwindung von Einsamkeit braucht Zeit. Jeder Schritt zählt, auch wenn er klein erscheint. Erlaube dir, in deinem eigenen Tempo voranzugehen, ohne dich selbst zu drängen.
Neue Hobbys entdecken:
Probiere neue Aktivitäten aus, um dich mit anderen zu vernetzen. Sei es ein Sportkurs oder ein kreatives Hobby – der Austausch mit Gleichgesinnten kann neue Freundschaften fördern oder bestehende Freundschaften vertiefen. Um deine Fitness zu steigern und aktiv zu bleiben, schau dir unsere Fitness-Tipps an.
Wissen hilft:
Einsamkeit ist kein individuelles Problem, sondern ein gesellschaftliches. Bildungsprogramme und Aufklärung machen auf das Thema aufmerksam. Ziel ist es, offener über Einsamkeit zu sprechen und Präventionsstrategien zu entwickeln. Dazu gehört auch, sich mit psychischen Belastungen auseinanderzusetzen. Erfahre mehr über Angststörungen, um mögliche zugrundeliegende Ursachen anzugehen.
Sich selbst etwas gönnen:
Sei liebevoll mit dir und gönn dir auch mal eine Pause. Achtsamkeit und Selbstfürsorge sind entscheidend, um deine emotionale Gesundheit zu fördern. Weitere Tipps zur Selbstfürsorge findest du in unserem KKH-Blog zum Thema gesunder Lifestyle.
Hilfe in Anspruch nehmen:
Wenn du in einer schwierigen Situation bist, solltest du dich nicht scheuen, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Eine Therapie kann gezielt dabei helfen, die tieferliegenden Ursachen von Einsamkeit zu finden und Lösungen zu entwickeln.