„Resilienz ist wie ein Muskel – sie wächst durch Herausforderungen“ – Dr. Galland im Interview

Redaktion: Herr Dr. Galland, Resilienz ist ein Begriff, der oft fällt, wenn es um die psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen geht. Können Sie erklären, was genau Resilienz bedeutet?

Dr. Galland: Resilienz ist die Fähigkeit, mit Belastungen und Krisen umzugehen. Sie ist kein statischer Zustand, sondern ein dynamischer Prozess. Es ist nicht so, dass man entweder viel oder wenig Resilienz hat. Vielmehr entwickelt sich Resilienz durch die Erfahrungen, die man macht – ähnlich wie ein Muskel, der durch Training wächst. Wenn ein Kind eine Krise erfolgreich meistert, kann es gestärkt daraus hervorgehen. Das bedeutet aber nicht, dass jede Krise automatisch die Resilienz fördert. Krisen können auch zehrend sein, und manchmal braucht es Unterstützung, um sie zu bewältigen.

Redaktion: Können körperliche Symptome darauf hinweisen, dass ein Kind psychisch belastet ist?

Dr. Galland: Ja, aber es gibt keine eindeutigen körperlichen Zeichen. Typische Beschwerden wie Schlafprobleme, Bauchschmerzen oder auch Appetitlosigkeit können Hinweise auf eine psychische Belastung sein, müssen es aber nicht. Wenn ein Kind morgens nicht aus dem Bett kommt, kann das zum Beispiel auf eine Depression hindeuten – oder es hatte einfach eine schlechte Nacht. Es ist wichtig, solche Symptome im Kontext zu betrachten. Manchmal hilft es, einfache Dinge wie die Schlafhygiene oder die Ernährung zu verbessern, um Belastungen zu lindern.

Redaktion: Welche Rolle spielen Bewegung, Ernährung und Schlaf bei der psychischen Gesundheit von Kindern?

Dr. Galland: Eine sehr große. Regelmäßige Bewegung wirkt ähnlich wie ein Antidepressivum. Dabei geht es nicht darum, Kinder einfach nach draußen zu schicken. Vielmehr sind gezielte Aktivitäten wichtig, die Spaß machen und auch soziale Interaktion ermöglichen. Ernährung ist ebenfalls ein Schlüsselfaktor. Eine ausgewogene, gesunde Ernährung kann nicht nur das körperliche Wohlbefinden verbessern, sondern auch die psychische Gesundheit positiv beeinflussen. Schließlich ist Schlaf ein zentraler Baustein. Schlafmangel kann nicht nur die Stimmung verschlechtern, sondern auch das Risiko für psychische Erkrankungen erhöhen. 

Redaktion: Was können Eltern tun, um ihre Kinder in belastenden Zeiten zu unterstützen?

Dr. Galland: Eltern haben eine enorm wichtige Vorbildfunktion. Kinder lernen durch Beobachtung – sie sehen, wie ihre Eltern mit Stress umgehen und übernehmen diese Verhaltensmuster. Wenn Eltern selbst gestresst sind und keine Strategien entwickeln, um damit umzugehen, übernehmen Kinder oft dieses Verhalten. Es ist wichtig, dass Eltern auch für sich selbst sorgen, Unterstützung annehmen und ihren Kindern zeigen, wie man mit Belastungen umgehen kann.

Redaktion: Gibt es praktische Tipps für Eltern?

Dr. Galland: Ja, es hilft, im Alltag Strukturen zu schaffen. Regelmäßige Mahlzeiten, feste Schlafenszeiten und gemeinsame Aktivitäten können Stabilität bieten. Außerdem sollten Eltern darauf achten, offen über Gefühle zu sprechen und den Kindern das Gefühl geben, dass ihre Sorgen ernst genommen werden. Gleichzeitig sollten Eltern auch ihre eigenen Grenzen kennen. Es ist keine Schwäche, Hilfe anzunehmen – sei es durch Beratung, Therapie oder Selbsthilfegruppen. 

Redaktion: Zum Schluss: Was würden Sie Eltern mit auf den Weg geben, die sich Sorgen um die Resilienz ihrer Kinder machen?

Dr. Galland: Ich würde sagen: Vertrauen Sie darauf, dass Kinder eine große innere Stärke haben. Unterstützen Sie sie, indem Sie ihnen Raum geben, Herausforderungen selbst zu bewältigen, aber seien Sie da, wenn sie Unterstützung brauchen. Resilienz ist wie ein Muskel – sie wächst durch Herausforderungen, aber auch durch Pausen und Pflege. Eltern können dabei eine entscheidende Rolle spielen.